Lesetipp: Von Rache und Regen I : Regentänzer

Erschienen 2019 im Traumtänzer Verlag
ISBN: 978-3-947031-26-9

Nach ihrer Science-Fiction-Dilogie „Blind“ und „Blau“, in der Annette Juretzki schon einige Register in Sachen Weltenbau gezogen hat, wendet sie sich in ihrem neuen Zweiteiler, dessen erster Teil 2019 erschienen ist, dem selten „bespielten“ Genre eisenzeitlicher Fantasy zu. Nicht nur das: „Regentänzer“, der erste Band der Dilogie „Von Rache und Regen“ ist ein Zombie-Eisenzeit-Fantasyroman!

Protagonist Riagh gehört zu einem von den imperialen Legionen eroberten Volk und wurde selbst Soldat. Zu Beginn des Buchs ist Riagh bereits mit seinem Ziehbruder desertiert. Dieser starb bei der Desertation, und Riagh schleppt seitdem einiges an Trauer und Zorn mit sich herum. Er ist auf dem Weg zu seiner Ziehschwester und Ver-lobten Anryn, durch sein Heimatland, das nicht nur allgegenwärtig von den Regengött*innen des Landes heimgesucht wird, sondern auch noch von Untoten, denn ein nekromantischer Fluch wurde auf das Imperium und alle von ihm unterworfenen Regionen losgelassen. Auf seinem Weg nach Hause trifft Riagh auf Lynchjustiz – ein paar Fi-scher*innen haben einen Fremden gefunden, der aus dem Reich stammt, das eben diesen Untotenfluch über das Imperium brachte. Riagh hat kaum geblinzelt, da hat er schon zwei Fischer umgelegt (diese anger issues!) und kurze Zeit später einen Nekromanten namens Nuzar als Gefangenen.

Riagh muss sich nicht nur Untoten stellen, sondern auch seinen eigenen Dämonen. Mit seinem Ziehbruder verband ihn mehr als brüderliche Liebe, und zu lesen, wie Riagh sich mit der Schuld um dessen Tod und gleichzeitig mit seiner eigenen internalisierten Queerfeindlichkeit und seinen Gefühlen für Nuzar quält, ist bewegend und hält einige großartig geschriebene emotionale Szenen bereit. Auch die Migrations- und Umbenennungserfahrungen der in Polen geborenen Autorin finden sich im Roman wieder, in dem es auch immer wieder um Dominanzkultur geht und darum, was diese mit von ihr einverleibten Kulturen macht. Juretzki zeichnet Riagh und Nuzar als komplexe und psychologisch interessante (und sehr unterschiedliche) Charaktere, der politische und magische Weltenbau ist interessant und hält immer wieder Twists und Überraschungen bereit. Um den allgegenwärtigen Regen sind ein Pantheon, eine Religion und Kultur und eine Menge Legenden gewoben, die sich tief und organisch gewachsen anfühlen – eine Meisterleistung im phantastischen Weltenbau.

Eine weitere Facette dieser Welt: Nuzar spricht immer im generischen Femininum, was in seiner Kultur und Sprache tief verankert ist und zu einigen Missverständnissen zwischen den ungleichen Protagonisten führt. Juretzki, selbst queer und neurodivergent, hat Religionswissenschaften studiert, was man dem Weltenbau auf die bestmögliche Weise anliest. Für mich nicht nur, aber definitiv auch wegen der mythologischen Verankerungen der kleinsten Erzähldetails ein Highlight aus dem letzten Jahr, das ich gern auf den Shortlists aller Phantastikpreise gesehen hätte!

Aus der Feder von Annette Juretzki stammt auch die Kurzgeschichte „Nebelflor“ in Ausgabe 1 von Queer*Welten.

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